Wirtschaftlichkeit versus Nachhaltigkeit: Lohnt sich eine Zertifizierung?
Nachhaltigkeit ist teuer!
Diese Aussage hören wir oft pauschal. Doch stimmt das wirklich? In diesem Beitrag gehen wir der Frage nach, was Nachhaltigkeit, insbesondere in Hinblick auf eine Zertifizierung konkret für die Kosten bedeutet. Dabei werfen wir einen Detailblick auf verschiedene Kostengruppen, um herauszufinden, ob sich eine Zertifizierung rein wirtschaftlich lohnt oder nicht.
Unser Wirtschaftlichkeits-Vergleich
Eine Zertifizierung für Nachhaltigkeit bei der DGNB oder anderem Anbieter kann teuer werden, muss es aber nicht. Überwiegen in Summe die Vor- oder die Nachteile?
Details zur Zertifizierung finden Sie auch in unserem Blog zur DGNB Zertifizierung.
Pauschale Aussagen wie „kann teuer werden“ sollten immer konkret untersucht werden.
Wo genau müssen Sie für eine Zertifizierung im Bau mehr Geld in die Hand nehmen?
Wir wollen diese Frage anhand der 8 Kostengruppen aus der DIN 276 prüfen
Diese DIN 276 Kostengruppen nehmen wir als Basis für die Analyse.
Kostengruppe 100: Das Grundstück
Für die Beurteilung der Kosten müssen Sie die Auswirkung auf die Auswahl des Grundstücks betrachten. Tendenziell gibt es folgende Kriterien zu beachten, wenn Sie Ihre Immobilie zertifizieren lassen wollen:
Ökologische Qualität:
- Ist es bereits bebaut oder nicht? Aus Sicht der Zertifizierung ist es von Vorteil, wenn es schon einmal bebaut war und keine Neuflächenversiegelung notwendig ist.
- Biodiversität am Standort
- Flächeninanspruchnahme
Standortqualität:
- Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz: Gibt es Busse, Bahnlinien etc.
- Nähe zu nutzungsrelevanten Objekten und Einrichtungen: Erholung, Einkauf, Kantine, Grün – Was ist in der Umgebung? Es ist vorteilhaft für die Zertifizierung, wenn Vieles fußläufig erreicht werden kann.
Fazit unserer Kostenanalyse: Diese KG ist kostenneutral. Es entstehen keine Mehrkosten durch die Zertifizierung.
Kostengruppe 200: Vorbereitende Maßnahmen
Hier geht es um
- Öffentliche Erschließung
- Altlastenbeseitigung
Auch diese Maßnahmen sind kostenneutral in Hinblick auf die Nachhaltigkeit und Zertifizierung
Kostengruppe 300: Bauwerk / Baukonstruktion
Worauf sollte aus Sicht der Nachhaltigkeit geachtet werden?
- Spätere Wiederverwendung der eingesetzten Materialen (Cradle to Cradle Principle),
- Einsatz natürlicher Materialien, Einsatz von recyceltem Material, Recycling-Freundlichkeit der Materialien (Rückbau),
- Nachhaltigkeit der eingebauten Materialien im Sinne der Langlebigkeit, fair bezahlte Löhne, keine Kinderarbeit,
- Intelligenter Einsatz von Begrünung, Verschattung, Aufenthaltsqualitäten für die Nutzer, Flexibilität der Grundrisse, Komfort
Punkte für die Zertifizierung gibt es unter anderem bei:
- Einsatz sogenannter „Regio-Materialien (z. B. Natursteine aus der Umgebung, anstatt aus Übersee)
- Verwendung von nachhaltig angebauten Hölzern
- Lieferketten von Rohstoffen, die nachhaltig hergestellt bzw. abbaubar sind (Holz versus Zement)
- Recyclingbeton (min. 30%) anstelle von normalem Beton
- Dachbegrünung (Mehrkosten, die aber langfristig Heiz- und Kühlkosten senken)
- Barrierefreiheit, die bei allen zertifizierten Gebäuden Pflicht ist.
- Hohe Aufenthaltsqualität bei den Innenflächen
- Flexiblen Raumkonzepten durch intelligente Planung, mit denen z. B. der Umbau von Großraum- in Einzelbüros und umgekehrt ohne aufwendigen Rückbau möglich wird
- Erhöhtem Schallschutz
Hier kann es bei Ihrem Projekt zu Mehrkosten kommen, wenn Sie es zertifizieren lassen wollen.
Kostengruppe 400: Technische Anlagen
Zielstellung ist hier unter anderem eine verantwortungsbewusste Ressourcengewinnung, die Reduktion von Trinkwasserverbrauch und Abwasser, Wiederverwendbarkeit von Brauchwasser sowie die Reduktion des Stromverbrauchs generell.
Zertifizierungspunkte gibt es für eine nachhaltige Planung von technischen Anlagen
- Natürliche Stromgewinnung (z.B. Solar)
- Intelligente Systeme der Beleuchtung, etc.
- Regenwasserzisterne (Mehrkosten, die aber langfristig Wasserkosten senken)
- Verschattung anstatt Kühlung
- Weniger komplexe Anlagen
Hier kann es zu Mehrkosten während des Baus kommen. Dieser Punkt birgt aber großes Potential der Kostensenkung während des Betriebs und über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes.
Kostengruppe 500: Außenanlage und Freifläche
Ziel aus Sicht der Nachhaltigkeit ist es, das Wohlbefinden der Nutzer, Besucher und Menschen der Umgebung in den Räumlichkeiten zu steigern, den Austausch und das Miteinander zu fördern. Diese Faktoren werden unter dem Begriff Aufenthaltsqualitäten zusammengefasst.
Des Weiteren geht es in dieser Kostengruppe um den Erhalt und die Förderung der Biodiversität.
Um hier Zertifizierungs-Punkte zu bekommen, sind folgende Maßnahmen denkbar:
- Bei der Begrünung: Biodiverstität fördern, nicht einfach nur Bodendecker oder Gras, sondern z.B. Anlagen nach dem Waldgartenprinzip gestalten
- Bänke zum Verweilen
- Je nach Zweck die Anlage von Spielplätzen und Wohlfühloasen
Hier können eventuelle Mehrkosten für den Komfort und die Ökologie anfallen. Allerdings werden durch bau- oder öffentlich-rechtliche Auflagen z.B. im Bebauungsplan viele dieser Maßnahmen ohnehin gefordert und müssen entsprechend umgesetzt werden.
Kostengruppe 600: Ausstattung und Kunstwerke
Wird nicht berücksichtigt, da dies Sache des Mieters ist.
Kostengruppe 700: Baunebenkosten
Zu den Baunebenleistungen gehören unter anderem die Projektleitung, Projektsteuerung Fachplanung, Architekturleistungen, Bauherrenaufgaben, Dokumentation und ähnliches.
Für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele im Sinne der Zertifizierung kommen folgende zusätzliche Aufwände hinzu:
- Aufwändigere Planung
- Höhere Kosten durch den Zertifizierungsprozess (ggf. Energieplaner hinzunehmen, der der Prozess begleitet)
- Umfangreiche Dokumentation des Prozesses
Hier wird es bei unserer Betrachtung von Wirtschaftlichkeit versus Nachhaltigkeit zu Mehrkosten kommen.
Kostengruppe 800: Finanzierung
- Finanzierung: Durch Wertsteigerung und Zertifizierung günstigere Kredite
Hier gibt es erhebliches Potenzial für Förderung und Zuschüsse! Insofern können hier sogar Kosten eingespart werden.
Wirtschaftlichkeit versus Nachhaltigkeit: Unser Fazit
In Teilbereichen der Baukosten sowie bei den Baunebenkosten kann es während der Entwicklungsphase zu Mehrkosten im Bau gegenüber einem nicht zertifizierten Gebäude kommen.
Allerdings dürfen wir uns bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nicht nur auf die Investitionskosten fokussieren.
Zur Erinnerung: In unserem Blogbeitrag vom 24.10.2022. haben wir ausführlich dargestellt, warum die Baukosten einer Immobilie Ihr geringstes Problem sind.
Werfen Sie noch einmal einen Blick auf das Schaubild „Lebenszykluskosten einer Immobilie“:
Die Hauptkosten einer Immobilie entstehen während der Nutzung. Und genau hier kommt der große Pluspunkt bei einem Vergleich von Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zum Tragen.
Denn auch wenn die Entwicklung und Bauphase einer Immobilie durch die Maßnahmen für die Nachhaltigkeit teurer werden kann, ergibt sich in der Gesamtwirtschaftlichkeitsbetrachtung ein Plus auf Grund folgender positiver Effekte:
- Wertsteigerung 1: höhere Erträge insgesamt durch höhere erzielbare Mieten
- Wertsteigerung 2: bis zu 8% höhere Verkaufspreise möglich
- Kostenreduktion 1: Während der Nutzungsphase: geringere Nebenkosten für Reinigung, Wartung, Pflege, niedrigeren Energieverbrauch, etc.
- Kostenreduktion 2: Während der Modernisierungsphase: geringere Kosten für Rückbau oder Umbau wegen entsprechender Weitsicht bei der Planung flexibler Grundrisse.
Gerade in Zeiten steigender Energiekosten gewinnt dieser Faktor an Gewicht.
Ganz wichtig ist außerdem: Bei einer Nicht-Zertifizierung entstehen indirekte Mehrkosten:
- Von der Politik / Regulatorik wird eine nachhaltige (=zertifizierte) Bauweise immer stärker gefordert. Das bedeutet umgekehrt: die Politik macht Druck auf jeden Bauherrn, der dies nicht umsetzt.
- Auch aus gesellschaftlicher Perspektive kommt man als Bauherr / Investor immer weniger an einer nachhaltigen Bauweise vorbei. Wer das Thema Nachhaltigkeit ignoriert, wird zunehmend „geächtet“. Stakeholder (potenzielle Mieter, Mitarbeiter von Unternehmen, Banken etc.) werden zunehmend einen Bogen um nicht nachhaltige Gebäude machen und diese meiden – egal ob die direkten Kosten (Herstellungskosten, Mieten etc.) günstiger / teuer sind oder nicht
- Genehmigungsverfahren können sich in die Länge ziehen
Unser Fazit:
Bauherrn und Investoren können es sich langfristig schlicht nicht leisten, ihre Gebäude nicht nachhaltig zu bauen bzw. zu sanieren, da dies gleichbedeutend mit einem schleichenden Wert- und Imageverlust ist!
Sie überlegen, ob Sie ihr Projekt zertifizieren lassen sollen?
Wir unterstützen Sie gerne!
E-mail: info@cmfpartner.de
Telefon: +49 261 91547-0